Friedrich Robert Faehlmann (1798 – 1850)ÜbersichtDer Arzt und Hobbywissenschaftler Friedrich Robert Faehlmann wurde am 20. (31.) Dezember 1798 in Jerwen (Järvamaa), im Kirchspiel St. Marien-Magdalenen (Koeru), auf Landgut Hageweid (Ao) als fünftes Kind des Gutsverwalters Heinrich Johann Faehlmann geboren. F. R. Faehlmann besuchte in Wesenberg (Rakvere) die Grundschule und die Kreisschule, lernte am Dorpater (Tartuer) Gymnasium und schloss im Jahre 1827 sein Studium an der medizinischen Fakultät der Universität Dorpat ab. Somit war er der erste promovierte Mediziner nachweislich estnischer Abstammung. F. R. Faehlmann arbeitete sein ganzes Leben als Arzt in Dorpat und Umgebung. 1842–1850 wirkte er an der Dorpater Universität zugleich als Lektor für estnische Sprache und hielt 1843–1845 in der medizinischen Fakultät als Lehrbeauftragter Vorlesungen über Pharmakologie und Rezeptur. 1838 gründete F. R. Faehlmann zusammen mit einer Reihe von Gleichgesinnten die Gelehrte Estnische Gesellschaft (Õpetatud Eesti Selts), deren Präsident er von 1843 bis 1850 war. F. R. Faehlmann starb am 10. (22.) April 1850 in Dorpat. Er liegt begraben auf dem Raadi-Friedhof (Rathshof) am nördlichen Stadtrand von Dorpat. F. R. Faehlmann verfasste zwei medizinische Studien: eine Dissertation über Herzentzündungen „Observationes inflammationum occultiorum“ (1827) und eine Studie über eine Ruhrepidemie in Dorpat „Die Ruhrepidemie in Dorpat im Herbst 1846“. Als Mitglied der Gelehrten Estnischen Gesellschaft und Lektor für estnische Sprache an der Dorpater Universität erforschte F. R. Faehlmann die estnische Sprache. Er befasste sich mit Stufenwechsel, Wortableitungen und -veränderungen. Auch machte er Vorschläge zur Erneuerung der estnischen Orthographie. Mit seinen linguistischen Schriften schuf F. R. Faehlmann die Grundlagen für die Phonetik und Morphologie der estnischen Sprache. Für estnischsprachige Literaturanhänge in den Volkskalendern, die von der Gelehrten Estnischen Gesellschaft herausgegeben wurden, schrieb er einige Erzählungen mit humoristischem und aufklärerischem Inhalt. Nennenswert ist dabei vor allem seine sozialkritische Erzählung „Tühhi jut, tühhi lorri, tühhi assi, tühhi kõik“ (1841), deren Fortsetzung durch Einschreiten der Zensur nicht erscheinen durfte. Beliebt wurde im Volk auch „Kalendriteggija kimbus“ („Der Kalendermacher in der Klemme“, 1845). F. R. Faehlmann, der mit der Poesiefähigkeit der estnischen Sprache experimentierte, verfasste etwa zehn Gedichte in antiken Versmaßen. Die bekanntesten davon sind das Epigramm „Üks kui mõnnigi teine“ („Ükskord olli üks mees ...“) („Es war einmal ein Mann ...“) und das dialogische Gedicht „Piibo jut“ („Ein Pfeifenplausch“, 1845). In die estnische Kulturgeschichte ging F. R. Faehlmann vor allem als Urheber des Nationalepos „Kalevipoeg“ und als Schöpfer der estnischen Mythologie ein. In seinem Vortrag, den er 1839 vor der Gelehrten Estnischen Gesellschaft hielt, entwarf Faehlmann die Haupthandlung des zukünftigen Epos und stilisierte aus dem klobigen Riesen, der in den estnischen Volkssagen vorkommt, einen einheitlichen Volkshelden mit göttlicher Herkunft. Seine acht romantischen deutschsprachigen Sagen („Das Entstehen des Embachs“, „Wannemunne’s Sang“, „Das Kochen der Sprachen“, „Koit und Ämarik“ („Morgenrot und Abendrot“), „Loomine“, „Vanemuise kosjaskäik“, „Vanemuise lahkumine“, „Endla järv ja Juta“), die in den „Verhandlungen der Gelehrten estnischen Gesellschaft” erschienen, stellten einen Versuch dar, die estnische Mythologie zu rekonstruieren. Damit begründete Faehlmann faktisch die estnische Volksmythologie, die in der Periode der nationalen Bewegung weiter ausgebaut und ergänzt wurde und nach wie vor in zahlreichen estnischen Theater-, Vereins- und Straßennamen fortlebt. F. R. Faehlmanns belletristische Werke sowie seine Aufsätze über estnische Sprache und Volksdichtung, schließlich auch ein Großteil seiner Vorträge in der Gelehrten Estnischen Gesellschaft, sind kürzlich erstmals als textkritische Ausgabe in zwei Bänden („Teosed“ I–II, Tartu, 1999–2002) zusammengefasst worden. Faehlmanns medizinische Schriften, die in Buchform erschienen sind, sowie seine Studie zur estnischen Konjugation, werden im dritten Band der Werkausgabe erscheinen. Kristi Metste |