Gotthard Friedrich Stender (1714 – 1796)ÜbersichtGotthard Friedrich Stender entstammt einer alten aus Braunschweig stammenden kurländischen Predigerfamilie. Er studierte von 1736 bis 1739 Theologie in Jena und Halle. Nach seiner Rückkehr nach Kurland wirkte er als Hauslehrer und war von Christian Wolffs (1679–1754) Philosophie beeinflusst. 1742 folgte er einem Ruf, als Konrektor an der Stadtschule in Mitau (Jelgava) zu arbeiten, und heiratete hier die Predigerstochter Anna Elisabeth Braunschweig (1721–1784). 1744 wurde er Pastor in Linden (Linde) und Birsgallen (Birzgale, in Kurland), von 1753 bis 1759 in Szeymen (in Litauen). Wegen Krankheit und Ermüdung im Predigeramt zog Stender 1759 zusammen mit seiner Familie nach Helmstedt. Hier fertigte er für den Herzog von Braunschweig einen Globus an und publizierte seine Überlegungen über die Erziehung in den „Braunschweigischen Anzeigen“ (1759, Nr. 84, 85, 87). Aus Anerkennung über diese Leistung wurde er zum Rektor der neugegründeten Realschule in Königslutter berufen. Im Juli 1760 bekam er hier seinen ersten Lohn, wechselte aber im März 1761 wegen eines Zwiespalts zwischen seinen Anschauungen und denen des pietistischen Predigers Johann Arnold Anton Zwicke (1722–1778) nach Hamburg. 1761 publizierte er in Braunschweig seine „Lettische Grammatik“, die 2. Ausgabe folgte bereits 1763. Auf Vermittlung von Johann Albrecht Korff (1697–1766), dem Gesandten Russlands in Dänemark, war Stender von 1761 bis 1765 im Königlichen Dienst in Kopenhagen und beschäftigte sich mit Geographie. Er fertigte hier zwei Globusse mit einem Durchmesser von 80 cm bzw. 90 cm an, die bis heute in der Königlichen Bibliothek in Dänemark (Det Kongelige Bibliotek) bewahrt werden. Anfang 1765 starb Stenders jüngster Sohn. Gleichzeitig verlor er alle seine Einkünfte und reiste auch wegen der unsicheren politischen Situation in Dänemark mit seiner Familie über Sankt Petersburg nach Kurland zurück. Von 1766 bis zu seinem Tod arbeitete Stender als Pastor in Selburg (Sēļpils) und Sonnaxt (Sunākste). 1782–1787 wurde er zum Selburgschen Propst und Konsistorialassessor gewählt. Von 1778 an unterstützte ihn sein Sohn Alexander Johann als Adjunkt im Amt. Die letzten 30 Jahre seines Lebens widmete Stender der Aufklärung des lettischen Volkes und betrieb Studien in Literatur, Philosophie, Sprachwissenschaft und auch Alchemie. In seinen philosophischen Schriften (z. B. „Wahrheit der Religion“, 1772) und Polemiken (z.B. mit Johann Kaspar Lavater, 1771, und Johann Melchior Gottlieb Beseke, 1787) zeigte er sich als Rationalist. Mit seinen Übersetzungen der Fabeln und Erzählungen von Christian Fürchtegott Gellert, Aesop, Phaedrus u. a., Oden und Gedichten von Barthold Heinrich Brockes, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Matthias Claudius, Christian Felix Weiße u. a. wurde er der Begründer der lettischen weltlichen Literatur. Auch wegen seiner sprachwissenschaftlichen Arbeiten ist Stender noch heute in Lettland sehr berühmt. Alchemie war die Passion Stenders an seinem Lebensende, seine Untersuchng „Clavis Magiae“ (1794) blieb jedoch Manuskript. Seinem Wunsch zufolge liegt auf seinem Grabe in Sonnaxt eine mächtige Granitplatte mit der lettischen Inschrift: „Hier ruhet G. F. Stender, der Lette“. Stender war einer der berühmtesten Aufklärer Lettlands. Stenders Schaffen in lettischer Sprache besteht zum Teil aus Übersetzungen und Bearbeitungen. Es sind dies Erzählungen, Fabeln, Dichtungen, eine Fibel, Lesebücher, geistliche Lieder, Bibelerzählungen und populärwissenschaftliche Schriften. Von seinem deutschsprachigen Schaffen sind hervorzuheben seine lettische Grammatik, sein „Lettisches Lexikon“, ein Katechismus in Versen, philosophische Gedanken und Anmerkungen usw. Māra Grudule |