Фридрих Густав Арвелиус (1753 – 1806)ÜbersichtLebenslaufFriedrich Gustav Arvelius hat finnische Wurzeln und wurde am 5. (16.) Februar 1753 in Reval (Tallinn) geboren. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr wurde er zu Hause, in Maholm in Wierland (Viru-Nigula), wo sein Vater Friedrich Immanuel Arvelius als Pastor arbeitete, unterrichtet. 1761–71 lernte er an der Revaler Domschule, nach dem Schlulabschluss ging er nach Leipzig, wo er Theologie, moderne Sprachen und schöne Künste (Poesie und Rhetorik) studierte, anderen Angaben zufolge auch Philosophie, Physik und Mathematik. Nach der Rückkehr in die Heimat arbeitete er 14 Jahre als Hofmeister (Hauslehrer), zunächst auf Gut Pöddes (Kalvi), dann auf Gut Keikel (Kiikla) in Wierland (Virumaa). Im Jahre 1790 wurde er Theologieprofessor am Revaler Gymnasium, zugleich war er mehrmals als Rektor dieses Gymnasiums tätig. Außer Theologie unterrichtete Arvelius während seiner Pädagogenlaufbahn auch Latein, Geschichte und Geographie. 1803 wurde er zum Hofrat ernannt. F. G. Arvelius starb am 13. (25.) Juli 1806 in Reval. TheatertätigkeitF. G. Arvelius hatte eine enge Beziehung zum Theater. Schon während seiner Hofmeisterjahre bei Baron von Rosen, Konsultant der estländischen Gouvernementsverwaltung, hatte er an Aufführungen verschiedener Theaterstücke auf dessen Gut Kiekel teilgenommen. Später wirkte er beim 1784 gegründeten Revaler Liebhabertheater mit, das unter der künstlerischen Leitung des vielseitigen Schriftstellers August von Kotzebue stand und dessen Direktor der schon genannte Baron von Rosen war. An der Arbeit des Liebhabertheaters nahm auch sein literarisch tätiger Bruder Martin Heinrich Arvelius teil. 1796 veröffentlichte F. G. Arvelius einen ausführlichen Aufsatz über die Revaler Bühne, „Skizze einer Geschichte des Revalschen Liebhaber-Theaters“, wo er Geschichte und Tätigkeit dieses wohltätigen Theaters beschreibt. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Theater die Herausgabe von Arvelius’ estnischsprachigen Schriften finanziell unterstützte. Zuvor hatte er schon drei Theaterstücke in deutscher Sprache verfasst: seine Dramen „Elisa“ (Riga, 1777), „Lydia“ und „ Der Neujahrstag“ (beide Leipzig, 1779) waren der Poetik des „Sturm und Drang“ verpflichtet. Arvelius hat auch ein Schauspiel in estnischer Sprache geschrieben, doch wegen mangelnder Subskribenten ist „Ramma Josepi Jubilei“ („Das Jubiläum des lahmen Joseps“, 1794) nie erschienen. F. G. Arvelius als LyrikerF. G. Arvelius war auch als Lyriker tätig. In seinen Gedichten, die in verschiedenen Zeitschriften und Sammelbänden („Monatsschrift für Geist und Herz“, „Ehstländische poetische Blumenlese“) erschienen, sind Einflüsse Klopstocks und des Göttinger Hainbundes gefunden worden. Sein Dichterpseudonym lautete Sembard (nach der Heimstätte Sämmi (Sämi) bzw. dem deutschen Namern des Flusses Kunda). Mit diesem Namen tituliert ihn auch sein Bruder Martin Heinrich Arvelius in seiner Gedichtsammlung. VolksbücherIn die estnische Literaturgeschichte ging F. G. Arvelius vor allem als Autor zweier Volksbücher ein: „Üks kaunis Jutto- ja Öppetusse Ramat“ („Ein schönes Geschichts- und Lehrbuch“; Bd. 1 erschienen 1782, Bd. 2 1787) und „Ramma Josepi Hädda ja Abbi Ramat“ („Das Not- und Hilfsbuch des lahmen Joseps“, 1790). Dem ersten Buch liegt das Schullesebuch „Der Kinderfreund“ (Bd. 1 erschienen 1773, Bd. 2 1779) von dem deutschen Pädagogen Friedrich Eberhard von Rochow (1734–1805) zugrunde. Intention des Buches war, estnische Schüler mit zusätzlicher Lektüre zu versehen. Als Vorbild des zweiten Bandes hatte das „Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute“ (1788) von Rudolph Zacharias Becker (1752–1822) gedient. Dieses Volksbuch richtet sich schon an den erwachsenen Leser und enthält eine Auswahl von Beckers Texten. Etwa zehn Erzählungen aus „Jutu- ja Õpetuste raamat“ schreibt man wegen des angeblich unverkennbar wierländlischen Lokalkolorits Arvelius zu, jedoch ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die Erzählungen stark an örtliche Verhältnisse angepasste Bearbeitungen eines bisher unbekannten deutschen Originals sind. Sein eigenes Narrativ beginnt Arvelius im zweiten Band von „Jutu- ja Õpetuse raamat“ mit der Erzählung „Ramma Josepi Ello, Öppetussed ja Könned“ („Leben, Lehren und Reden des lahmen Joseps“) zu entfalten, das er später in „Häda- ja abiraamat“ weiter ausarbeitet. Dabei lässt er die Rahmenerzählung von Becker fast ganz beiseite und nimmt nur die in den Text eingeflochtenen Richtschnüre und lehrhaften Erzählungen auf. Arvelius idealisiert die Gutsherren und sieht den Hauptgrund des elenden Zustandes der estnischen Bauern nicht in der Leibeigenschaft, sondern in ihrer Unbildung und in ihren schlechten Lebensgewohnheiten, die er am Beispiel seiner Bauerngestalten zu bekämpfen versucht. Mit seinem Protagonisten Ramma Joosep statuiert er das Vorbild eines „vernünftigen Hausmannes“. Arvelius’ estnischsprachige Werke wurden trotz Riesenauflagen („Häda- ja abiraamat“ wurde in etwa 10000 Examplaren gedruckt) und kostenlosem Vertrieb nicht populär, was zum einen an dem moralisierenden Ton seiner Erzählungen lag. Zum anderen hegte die an geistliche Literatur gewöhnte bäuerliche Leserschaft Misstrauen gegenüber weltlicher Literatur. F. G. Arvelius’ Ansichten über die estnische Sprache und über die AufklärungSeine Ansichten über die estnische Sprache erläutert Arvelius in seinem Aufsatz „Über die Kultur der ehstnischen Sprache“ (1792), in dem er das Bedürfnis, die estnische Sprache zu kultivieren, hervorhebt und die Pflicht eines aufgeklärten Menschen darin sieht, „zur Beförderung des Wohlseyns seiner Brüder beizutragen“. Arvelius geht dabei von der Stilistikthese Johann Christoph Adelungs (1732–1806) aus, die besagt, dass die niedrige Entwicklungsstufe der Sprache für eine Nation, die sich auf einer niedrigen Entwicklungsstufe befindet, charakteristisch sei. Arvelius versucht eine Norm zu bestimmen, der zufolge die estnische Sprache zu kultivieren sei. Dabei werden sowohl die bisherige Bibelübersetzung, deren Sprache altertümlich sei und daher kein Vorbild sein könne, als auch die Volkssprache, die keine Entwicklungsfähigkeit besäße, von ihm abgelehnt. Außerdem benutze der Este seine Sprache äußerst nachlässig und oft geradezu falsch. So macht Arvelius die Sprachregelung und -prägung zur Aufgabe der Schriftsteller und Prediger, der so genannten öffentlichen Volkslehrer, die, da die Haltung des Volkes seiner Sprache gegenüber nachlässig sei, ohne Furcht vor Widerstand ihren eigenen „richtigen“ Sprachgebrauch durchsetzen sollten. Dabei muss erwähnt werden, dass alle Beispiele, die Arvelius für den irrtümlichen Sprachgebrauch des estnischen Landvolkes anführt, vom Standpunkt der estnischen Sprache her inkorrekt sind. Im Hinblick auf seine estnischsprachigen Werke ist festgestellt worden, dass, obwohl sie viele Fehler aufweisen, die darin benutzte Sprache reicher und besser ist als die des sonst weitaus beliebteren F. W. Willmann. Kurz und bündig erläutert Arvelius seine Ansichten über die Aufklärung in seiner Schrift „Gedanken über unsere neuesten Aufklärer und Toleranz-Prediger“ (1787), wo er gegen den Aufsatz „Versuch über die Geschichte der Intoleranz“ (erschienen 1786 in der Zeitschrift „Das graue Ungeheur“) von Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1732–1792) zu Felde zieht. In seinem Artikel betont der süddeutsche Publizist Wekhrlin das Bedürfnis, auf den supranaturalen Religionsbegriff zu verzichten, da dieser nur die Taschen der angeblich zynischen Popen fülle. Otto Alexander Webermann, der neben Aarne Vinkel als einer der wichstigsten Arvelius-Forscher gilt, deutet Arvelius’ Denken und Wirken im Kontext der Aufklärungszeit und stellt dabei fest, dass man zwischen seiner höchst negativen Einstellung zur Aufklärungsphilosophie und deren Vernunftreligion einerseits und seiner Unterstützung praktischer volksaufklärerischer Tätigkeit andererseits unterscheiden sollte. Die Vernunftreligion sei in Arvelius’ Augen nur eine Sache für philosophisch geschulte Menschen (während sie bei den so genannten Ungebildeten lediglich für Verwirrung sorge, ohne etwas Ernsthaftes an ihre Stelle zu setzen), und die volksaufklärerische Tätigkeit bedeute seiner Meinung nach, dass die Vertreter der vornehmen aufgeklärten Gesellschaftsschichten die Pflicht haben, für bessere Lebensverhältnisse der unteren Schichten nach Kräften Sorge zu tragen. O. A. Webermann kommt zu der Schlussfolgerung, dass „Arvelius zwar das Christentum recht energisch verteidigte, aber man kann in ihm keinen im theologischen Sinne Konservativen sehen – er gehörte wahrscheinlich zu den praktisch toleranten, schon halbwegs säkularisierten Männern seiner Zeit“. Kairit Kaur |